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28.01.2022

Das neue Elektrogesetz 3 (ElektroG3)

Die deutsche Bundesregierung hat die nächste Novelle des deutschen Elektro- und Elektronik­­geräte­gesetzes (ElektroG3) verabschiedet. Diese tritt zum 1. Januar 2022 in Kraft. Im Unterschied zu den beiden Vorgänger­­versionen geht das neue ElektroG3 nicht auf eine vorhergehende Aktuali­sierung der zugrunde­liegenden europäischen WEEE3-Richtlinie zurück, sondern resultiert aus einer rein nationalen Gesetzes­­initiative, die bei Bedarf später um weitere Änderungen auf EU-Ebene ergänzt werden könnte.

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Aktueller Stand
Nachdem das deutsche Elektro­gesetz zuletzt im Oktober 2015 (mit Übergangs­fristen bis August 2018) auf Basis der vorhergehenden WEEE2-Novelle aktualisiert worden war (ElektroG2), wurden zum Jahres­wechsel 2019/2020 Stimmen laut, welche von einer bevorstehenden, weiteren Anpassung des Gesetzes “noch in dieser Legislatur­periode” der Bundesregierung (mithin also bis September 2021) berichteten. Der Referenten­entwurf eines möglichen neuen ElektroG3 sollte “noch vor der Sommerpause 2020” vorgelegt und danach diskutiert werden. Dies geschah jedoch nicht. Erst Mitte September 2020 wurde dann der Entwurf offiziell auf den Webseiten des BMU veröffentlicht. Als dann der Bundesrat am 9. Oktober 2020 die Umsetzung der neuen EU-Abfallrahmen­­­richtlinie billigte, hatte dies teilweise schon direkte Auswirkungen auf das Elektrogesetz. Das Gleiche gilt für das am 29. Oktober 2020 in Kraft getretene Kreislauf­wirtschafts­gesetz. Das formale Gesetz­gebungs­verfahren begann dann mit der Notifizierung des ElektroG3 an die EU am 2. Dezember 2020: Das Bundes­kabinett beschloss am 16. Dezember 2020 den neuen Entwurf, der dann als Ausschuss­empfehlungen am 12. Februar 2021 im Bundesrat vorlag. Die dort verabschiedete Version wurde dann am 26. Februar 2021 mit einer Gegenäußerung der Regierung beantwortet, und am 4. März 2021 in erster Lesung im Bundestag in den Umwelt­ausschuss verwiesen. Nach der öffentlichen Anhörung dort wurde eine Beschlussempfehlung in den Bundestag gebracht, die am 15. April 2021 verabschiedet wurde. Da der Bundesrat am 7. Mai 2021 grünes Licht gegeben hat, wurde das neue Gesetz veröffentlicht und gilt ab Januar 2022.
 
Neue Haftung für Marktplatz­betreiber und Fulfillment-Dienstleister
Ausländische Hersteller und Händler vertreiben ihre Elektro- und Elektronik­geräte zunehmend auf elektronischen Marktplätzen wie Amazon oder eBay, aber auch auf den chinesischen Plattformen AliBaba/AliExpress oder Wish. Die Artikel werden darüber hinaus gerne bei einer dieser Plattformen oder einem externen Fulfillment-Dienstleister physikalisch eingelagert, um diesem im Rahmen des sogenannten Dropshippings oder Warehousings alle Prozesse des Lagerns, Verpackens, Versendens sowie, bei Bedarf, Zurück­nehmens als Retoure zu überlassen. Viele dieser Anbieter sparen sich jedoch die eigentlich fällige Bestellung eines Bevoll­mächtigten sowie die Registrierung bei der Stiftung EAR samt aller Folgepflichten – darunter vor allem die Finanzierung der Entsorgung ihrer Geräte.

Bisher konnten die Marktplatz-Betreiber und Fulfillment-Dienstleister eigene Kontroll- und Sanktions­pflichten für solche schwarze Schafe erfolgreich vermeiden, während die Trittbrettfahrer (Freerider) selbst im Ausland kaum zu verfolgen sind. Erst in den letzten Jahren kam Bewegung in diese Situation, da der Staat begann, gegen die gleichzeitige, massive Hinterziehung von Umsatz­steuern durch ebenjene Player vorzugehen. Dies fungierte als eine Art Katalysator, sodass nun auch die Product Compliance der Anbieter in den Fokus geriet. Das BMU stellte Anfang des Jahres 2020 ihre neue Umweltpolitische Digitalagenda vor, in der es u.a. um die Sanktionierung von “Drittland-Trittbrett­fahrern” geht.

Das ElektroG3 weitet die Haftung von reinen Marktplatz-Betreibern und Fulfillment-Dienstleistern auf die regelmäßige Prüfung der dort angebotenen bzw. verarbeiteten Elektro- und Elektronik­geräte aus. Nicht ordnungsgemäß registrierte Produkte dieser Art dürfen nicht mehr vertrieben bzw. versendet werden, ansonsten drohen neben den Herstellern und Händlern auch den Plattform­betreibern und Dienstleistern hohe Bußgelder sowie potentielle zivil­rechtliche Maßnahmen wie beispielsweise Abmahnungen.

Der Erfolg dieser Regelungen bliebe allerdings abzuwarten. Weiterhin dürfte es schwierig bleiben, Marktplätze und Fulfillment-Provider mit Sitz im Ausland zu sanktionieren, hier vor allem die Plattformen aus China wie AliBaba/AliExpress und Wish, aber auch im EU-Ausland.

Neue Rücknahmepflichten im Handel
Angesichts der weiterhin geringen und sogar sinkenden Sammel­quoten für alte Elektro­geräte, wird in Berlin schon seit Jahren über weitere potentielle Erfassungs­möglichkeiten zwecks Erhöhung dieses Wertes auf den aktuell geforderten Wert von 65% nachgedacht. Zuletzt rückte neben den Besitzern professioneller Altgeräte vor allem der stationäre und elektro­nische Handel in den Fokus. Das ElektroG2 führte für große Vertreiber mit Laden-, Lager- und Logistik­flächen für Elektro- und Elektronik­geräte von mehr als 400qm bereits entsprechende, direkte Rücknahme­pflichten ein. Das ElektroG3 weitet diese Aufgaben nun einerseits deutlich aus und schließt andererseits offenbar gewordene Schlupf­löcher des Vorgänger­gesetzes:
 

  • Rückgabe von Altgeräten im Lebensmittel-Einzelhandel: Die meisten Supermärkte mussten auch nach Inkraft­treten des ElektroG2 weiterhin keine Elektro­altgeräte zurücknehmen, obwohl sie im Nonfood-Bereich durchaus regelmäßig Neugeräte anboten und die Flächen­grenze von 400qm zumeist überschritten. Dies ging auf die Tatsache zurück, dass im Schnitt eben keine Regalstand­fläche dieser Größe für Elektro- und Elektronik­geräte vorgehalten wurde. Laut ElektroG3 sollen auch Lebensmittel­märkte mit einer Verkaufs­fläche von min. 800qm (über alle Produkte) nach den bekannten 0:1- bzw. 1:1-Regeln Altgeräte kostenfrei von Verbrauchern zurücknehmen müssen, wenn sie neue Geräte zumindest gelegentlich im Angebot haben.
  • Kostenfreie Rücknahme: Verbraucher sollen unter dem ElektroG3 ihre alten Elektro- oder Elektronik­geräte immer komplett kostenlos an einen Händler zurückgeben oder -senden können. Gerade im Online-Handel waren die aufgerufenen Rückversand­kosten ein gerne genutztes Schlupfloch des bisherigen Elektro­gesetzes, mit dem die Abgabe alter Geräte bis zur Unmöglichkeit erschwert wurde. Im Direkt­vertrieb soll die Rücknahme immer “in zumutbarer Entfernung zum Ort der tatsächlichen Übergabe” erfolgen, in aller Regel also an der Haustür. Der Verweis auf Wertstoff­höfe war bisher schon gesetzlich verboten. Die Rücksendung per Paket wurde von der Umwelthilfe erfolgreich vor Gericht torpediert. Hier stellen sich auch regelmäßig Probleme aufgrund möglicher in den Altgeräten enthaltener Gefahrstoffe wie Quecksilber aus gebrochenen Energie­sparlampen oder Lithium­batterien.
  • Informations­pflichten im Handel: Wiederverkäufer müssen Verbraucher über ihre Rechte zur kosten­freien Rückgabe von Elektro­altgeräten aktiv informieren. Darüber hinaus müssen sie diese sogar beim Kauf eines Neugerätes nochmals individuell über diese Möglich­keiten aufklären und sogar nach dementsprechenden Wünschen befragen.
  • Maximale Größe von kleinen Geräten: Bei dazu verpflichteten Händlern können unter dem ElektroG3 pro Rückgabe jeweils bis zu 3 Altgeräte bis zu einer Kanten­länge von max. 25cm je Geräteart entsorgt werden, ohne dass ein Neukauf notwendig ist. Onlinehändler müssen die Abholung und Entsorgung großer Altgeräte aktiv anbieten (Kategorien 1, 2, 4) und Rückgabemöglichkeiten für kleine Geräte und Lampen (Kategorien 3, 5, 6) in zumutbarer Entfernung schaffen.

 
 
Neue Herstellerpflichten
Auch Hersteller und Erstinverkehr­bringer neuer Elektro- und Elektronik­geräte haben verschiedene neue Aufgaben:

  • Hinweispflichten auf kostenfreie Rücknahme: Hersteller von B2C-Neugeräten müssen ebenso wie verpflichtete Händler Verbraucher regelmäßig auf die Möglich­keiten zur kostenfreien Rückgabe von Altgeräten hinweisen.
  • Hinweispflichten für batterie­betriebene Elektro­geräte: Elektro- und Elektronik­geräten, welche Batterien oder Akkus enthalten, müssen Informationen über deren Typ und chemisches System beigefügt werden. Dies soll es Dritten ermöglichen, besondere Gefahren oder Abhängig­keiten zu berück­sichtigen, beispiels­weise hinsichtlich möglicher enthaltener Schadstoffe, vor allem jedoch aufgrund von Brandrisiken aus lithium­haltigen Batterien.
  • Entnehmbarkeit: Batterien und Akkumulatoren sollen “mit handels­üblichem Werkzeug” vom Endnutzer oder unabhängigem Fachpersonal aus Altgeräten bei der Rückgabe problemlos und zerstörungsfrei entnommen werden können. Hersteller müssen außerdem Informationen dazu beifügen.
  • Kennzeichnung von B2B-Geräten: Auch professionelle Elektro- und Elektronik­geräte müssen mit dem Symbol des durchge­strichenen Mülleimers versehen werden. Dies war unter den beiden bisherigen Elektro­gesetzen uneindeutig geregelt und im Zweifels­fall eine “überschießende Kennzeichnung”. Da jedoch im EU-Ausland die Kennzeichnung oft verpflichtend vorgeschrieben ist, führt die neue Kennzeichnungs­pflicht zu einer Harmonisierung der Anforderungen und damit auch zu reduzierten Aufwänden für unterschiedliche Länder­versionen. Bereits produzierte Lagerware muss allerdings nicht nachträglich gekennzeichnet werden, wenn die Geräte bis 31. Dezember 2022 in Verkehr gebracht werden.
  • Hinweispflichten für B2B-Geräte: Hersteller professioneller Elektro- oder Elektronik­geräte müssen unter dem ElektroG3 ebenfalls – wie bisher auch schon B2C-Hersteller – verschiedene Pflicht­hinweise gegenüber den Nutzern der Produkte ausbringen. Neben der Erläuterung des Hintergrunds des oben erwähnten Mülleimer-Symbols, müssen sie über die Rückgabe­möglichkeiten von Altgeräten und die Eigenverant­wortung der Nutzer zum Löschen ihrer privaten Daten vor der Entsorgung informieren.
  • Rücknahmekonzept für B2B-Geräte: Hersteller von professionellen Geräten müssen im Rahmen der Erstregis­trierung der Gemeinsamen Stelle, Stiftung EAR, ein Konzept zur Rücknahme und Verwertung der entsprechenden Altgeräte präsentieren, welches geprüft und akzeptiert werden muss. Hersteller, die vor dem 1. Januar 2022 bereits registriert sind, müssen erst bis zum Ablauf des 30. Juni 2022 der zuständigen Behörde ein Rücknahmekonzept vorlegen.
  • Bevollmächtigung: Onlinehändler aus Drittstaaten müssen ab Januar 2023 hierzulande Bevollmächtigte einsetzen. Die Bevollmächtigung muss mindestens drei Monate wirksam sein und eine Gewähr ist nötig für die Pflicht­erfüllung ab 20 Registrierungen pro Bevollmächtigtem.

 
Sonstige Neuerungen
Das neue Elektrogesetz sieht u.a. außerdem folgende weitere Neuerungen vor:

  • Sammelstellenlogo: Das einheitliche Sammel­­stellenlogo steht bereit und muss genutzt werden (§ 12); was bedeutet, dass Endnutzer auf die Sammel- und Rücknahme­­stellen durch die von der Gemeinsamen Stelle entworfene einheitliche Kennzeichnung hingewiesen werden sollen.
  • Erstbehandlungsanlagen werden Annahme­stellen: Zertifizierte Erstbehandlungs­­anlagen dürfen Annahme­stellen sein. Somit sind ÖrE, Vertreiber, Hersteller und Erstbehandlungs­anlagen mögliche Rückgabe­stellen für private Endverbraucher. Beim Bereit­stellen der Altgeräte an Übergabe­stellen durch die ÖrE soll die Einsortierung der Altgeräte von Mitarbeitern der Anlage vorgenommen oder zumindest beaufsichtigt werden. Die Behältnisse müssen so befüllt werden, dass ein Zerbrechen der Altgeräte, eine Freisetzung von Schadstoffen und die Entstehung von Brandrisiken vermieden wird. Die Altgeräte dürfen in den Behältnissen nicht mechanisch verdichtet werden. Die Einsortierung der Altgeräte, insbesondere der batterie­­betriebenen Altgeräte, in die Behältnisse hat an den eingerichteten Übergabe­­stellen durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungs­­träger oder unter seiner Aufsicht zu erfolgen.

 
Weitere neue Verpflichtungen aus anderen Gesetzen
Neben dem neuen Elektro­gesetz werden auch aus anderen anwendbaren gesetzlichen Regelungen noch weitere Anforderungen erwartet, welche von den betroffenen Herstellern bzw. Händlern umzusetzen sein werden. Diese können ggf. auch schon vor dem Inkraft­treten des ElektroG3 relevant werden:

  • Informations­pflichten für Hersteller: Hersteller neuer Elektro- und Elektronik­geräte sollen in Umsetzung der Abfallrahmen­richtlinie zukünftig jährlich über die Erreichung der gesetzlich geforderten Sammelquote von Altgeräten (aktuell 65%) sowie der Verwertungs­quoten in § 22 ElektroG öffentlich informieren müssen.
  • Rücknahme­strukturen von B2B-Herstellern: Hersteller professioneller Geräte sollen unter dem ElektroG3 “die finanziellen und organisa­torischen Mittel” für die Rücknahme und Entsorgung der von ihnen neu in Verkehr gebrachten Artikel vorhalten müssen. Diese Anforderung resultiert ebenfalls aus der Adaptierung der
  • Abfallrahmen­richtlinie. Die Bundes­regierung weist darauf hin, dass damit ausdrücklich keine versteckte finanzielle Garantie für den Insolvenzfall gemeint ist, sondern vielmehr Maßnahmen “in Eigen­verantwortung der Verpflichteten”.
  • Obhutspflicht für Händler: Um gegen die Vernichtung eigentlich noch gebrauchsfähiger Retouren vorzugehen, wurde im September 2020 das Kreislauf­wirtschafts­gesetz (KrWG) um verschiedene Ver- und Gebote für Wieder­verkäufer erweitert, welche unter dem Sammel­begriff Obhutspflicht geführt werden. Dazu zählt vor allem natürlich das Verbot, intakte Elektro- und Elektronik­geräte vor oder nach Rücksendung an den Händler durch eine Entsorgung dem Markt zu entziehen, obwohl diese, ggf. nach einer Instand­setzung oder Wiederauf­bereitung, noch benutzbar wären. Vertreiber müssen aber zukünftig auch Verzeichnisse über alle Retouren und deren Verbleib führen, wobei die genauen Prozesse und Kontroll­maßnahmen noch nicht feststehen.

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